Seit nun mehr als 20 Jahren bin ich freiberuflicher PHP Entwickler. Sehr oft fragen mich Verwandte und Bekannte, was ich eigentlich mache. In diesem Artikel möchte ich mal den Einblick geben, wie meine Zeit als freiberuflicher Entwickler verlaufen ist.
Angefangen hat es Ende der 90ziger Jahre, dass die Werbe Agentur mich als Angestellter nicht mehr bezahlen konnte. Sie boten mir aber an, als freiberuflicher Entwickler ab und zu Aufträge zu übernehmen. Ich erhielt vom Arbeitsamt aufgrund meiner drohenden Arbeitslosigkeit eine passende Unterstützung für 6 Monate und meldete ein Gewerbe an.
Natürlich war es total holprig, zumal vor allem kaum Unternehmer weder was von Homepages gehört, noch Interesse daran hatten. Glücklicherweise bekam ich durch die Agentur auch Hilfe passende Kundschaft zu finden und konnte mich so über Wasser halten.
Durch glückliche Fügung als freiberuflicher Entwickler nach Spanien
Ein Kunde wollte nach Spanien expandieren und fragte mich, ob ich die technische Überwachung übernehmen möchte. Ich brauchte nicht lang darüber nachdenken und ging somit Anfang Sommer 2001 mit nach Spanien. Wie so oft ging es aus unterschiedlichsten Gründen schief. Dortige Leute halfen mir ebenfalls ein kleines Business aufzubauen. Ich konnte also nach Abzug des Kunden dennoch dort bleiben und entschied mich, in Bremerhaven Ende 2001 alles abzumelden.
Die ersten 5 – 6 Jahre waren noch sehr ertrag- und erfolgreich. Grund dafür war auch, dass immer mehr Unternehmen erkannten, welchen Wert eine eigene Website hat. Sie suchten entsprechend professionelle freiberufliche Entwickler. Die folgenden 11 Jahre habe ich mich mässig erfolgreich durchgeschlagen. Ich behielt immer den Fokus, in PHP sowie deren anzuknüpfenden Technologien (MySQL Datenbanken, Server, etc.) professioneller zu werden. Hinzu kam Ende 2007 auch WordPress, was ich direkt damals schon als nahezu perfektes CMS für Unternehmenswebseiten erkannte.
Seit 2017 merkte ich allerdings, dass zwar die Auftragslage noch sehr gut war, sich aber die Zahlungsmoral meiner meist deutschen Kunden verschlechterte. Ich musste dringend etwas ändern. Wieder hatte ich Glück und bekam ein Angebot eines lokalen Deutschen, der mich vor Ort in Spanien als Freiberufler beauftragte.
Die Entscheidung, einen anderen Weg einzuschlagen
Ende des Sommers des Jahres 2018 merkte ich aber direkt schon, dass auch dieser Auftraggeber nicht wirklich ein ehrenwerter Typ ist. Ich ahnte bereits, es führe womöglich wieder zu Problemen und dachte auch schon direkt darüber nach, etwas verändern zu müssen. Es bewahrheitete sich zu Weihnachten 2018 auch. Ich blieb, obgleich ich meine Steuern für das Jahr 2018 eingereicht hatte, auf über 12.000,- € Außenstände sitzen. Dem spanischen Staat interessiert es nicht, ob man das Geld wirklich eingenommen hatte. Wurden die Rechnungen so eingereicht, sind darauf die Steuern zu entrichten, Punkt.
Ein Bekannter bearbeitete mich schon im Herbst 2018 damit, dass man in Deutschland als freiberuflicher Entwickler sehr gutes Geld verdienen kann. Es ist auch gut möglich, langjährige Aufträge abzuschließen. Er selbst war in solch einem Auftrag. Frühsommer 2019 war ich dann quasi am Ende, buchstäblich. Ich hatte beim spanischen Staat Schulden, ich wußte nicht mehr wie ich meine Miete zahlen, geschweige denn noch den Lebensunterhalt bestreiten sollte. Also wand ich mich an Ihm, wollte dies mal probieren und Er half mir dabei, dies in Deutschland anzutreten.
Erstmal Durststrecke in Deutschland nach fast 20 jähriger Abstinenz
In Deutschland angekommen musste ich auch erstmal schwerlich feststellen, dass mein CV für diese Art von Aufträgen total uninteressant ist. Ich hatte zwar viele Anrufe und Angebote von den Vermittlungsunternehmen wie Hays, Computer Features und Co erhalten, aber es kam so gut wie nie zu einem Telefon-Interview. Ich zweifelte schon an mich selbst. 4 Monate dümpelte ich vor mich hin, bewarb mich an sämtlichen PHP Freelance Angeboten. Durch die Auflösung meiner Wohnung in Spanien kam wenigstens etwas Geld rein, so dass ich wenigstens überleben konnte. Zum Glück konnte ich bei meinem Bekannten kostenfrei wohnen.
Im Herbst 2019 klappte es endlich, ich bekam ein kleinen Auftrag und gleich auch noch für einen namenhaften Hoster Deutschlands. Kurz nach dem Ende des Auftrags kam dann der zweite Auftrag sogar ganz in der Nähe meiner Heimatstadt. Seit dem bin ich praktisch in Deutschland angekommen, weshalb ich mich auch entschied, direkt meinen steuerlichen Wohnsitz wieder zurück nach Deutschland zu verlegen.
Vergleich digitaler Nomade v/s freiberuflicher Entwickler in Deutschland

In meinem Verwandten & Bekanntenkreis kursiert irgendwie der Gedanke, dass man als „digitaler Nomade“, wie Freelancer üblicherweise meistens auch genannt werden, den ganzen Tag egal wo man ist bei freier Zeiteinteilung an den schönsten Orten der Welt seinen Job verrichtet. Sorry Leute, das ist so absolut nicht! Zumindest nicht, wenn man wirklich sein Geld verdienen möchte und auch wirklich Leben zu wollen (und nicht nur überleben). Wer noch krankenversichert sein möchte und auch für das Alter vorsorgt, ackert auch an den schönsten Orten der Welt in einem Büro mindestens seine 10 – 12 Stunden 6 Tage die Woche. Mit dem Unterschied – je nachdem wo man sich eben gerade befindet – dass einem der Schweiß durch die Hitze am Hintern dabei noch herunterläuft.
Ich war nun fast 19 Jahre in Spanien und war insgesamt vielleicht 20 mal in dieser Zeit am Strand. Tatsächlich kommt man schlicht einfach nicht dazu, sich wirklich an die schönen Dinge des Ortes zu ergötzen, insbesondere im Ausland nicht. Im Gegensatz dazu hier in Deutschland, wenn man sich als freiberuflicher PHP Entwickler von Vermittlungsunternehmen vermittelt lässt und auch dazu in der Lage ist, bundesweit eingesetzt zu werden, braucht man sich praktisch meiner Erfahrung nach keine Sorgen um ausreichend Aufträge bzw. einer möglichst durchgängigen Beauftragung machen.
Dankbar für die Weitsicht, Erfahrung & gelernte Toleranz
Selbstverständlich will ich meine 19 Jahre in Spanien nicht schlecht reden. Ich habe eine Menge in dieser Zeit gelernt und bin dankbar, dass ich über den Tellerrand schauen durfte. Ganz sicher hat sich mein Bild zu Deutschland, zu der Gesellschaft, zum sozialem Leben und der beruflichen Möglichkeiten in Deutschland um 180 grad gedreht. Tatsächlich schüttel ich praktisch dauernd meinen Kopf, wenn ich in den sozialen Medien unterwegs bin und das Gejammer auf höchstem Niveau so manches mal hier lese.
Junge Entwickler, lasst Euch nicht den Mut nehmen
Für die jungen Entwickler, die sich überlegen als freiberuflicher Programmierer zu arbeiten oder eventuell sogar Erfahrungen als digitaler Nomade zu machen, empfehle ich folgendes: Wenn Du eine finanzielle Versorgung ganz sicher gewährleisten kannst, gehe ruhig den Weg eines digitalen Nomaden für eine gewisse Zeit. Den Weitblick, den Du dadurch erhältst ist absolut durch nichts aufzuwiegen. Auf passenden Portalen wie Fiverr.com, upwork.com und sicherlich noch ein paar andere findest Du in der Regel immer gute Aufträge.
Wer nicht den finanziellen Hintergrund hat und sich erst einen Aufbauen muss, sei möglichst flexibel, konzentriere dich auf einen speziellen Bereich (eben z.B. PHP und hier auf ein paar wenige Frameworks) und bewerbe dich möglichst bundesweit auf Portalen wie Freelance.de, Freelancermap.de, Gulp.de, lege Dir ein Profil bei Xing.de und LinkedIn.com an und achte vor allem darauf, nicht jeden Mist in den sozialen Medien zu liken / posten (bedenke, künftige Auftraggeber lesen mit bzw. könnten „Altlasten“ finden ;) ).